Landesklinikum Mauer
ARGE Maurer & Partner – Gustin & Zieser | Pflege- und Betreuungszentrum | Niederösterreich
Das 1898–1902 als „NÖ Landesheil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“ errichtete und von Kaiser Franz Joseph 1902 feierlich eingeweihte Landesklinikum stellt mit seinem Ensemble ein herausragendes Architekturbeispiel des frühen 20. Jahrhunderts dar. Entworfen und ausgeführt von Carlo von Boog, einem Mitarbeiter und Schüler Otto Wagners, steht es heute unter Denkmalschutz. Das Landesklinikum Mauer ist in seiner Nutzungsvariabilität und Kapazität als Krankenhaus an seine Grenzen gestoßen. Deshalb war es notwendig, einen neuen Masterplan zu erstellen, der die Zukunft des Landesklinikums sicherstellen soll.
Luftaufnahme um 1985 © Heinz Zeggl Carlo von Boog (1855 – 1905)
Analyse des Bestandes
Therapeutisch: Die ärztlichen Leiter der Anfangszeit waren Wegbereiter der fortschrittlichsten therapeutischen Methoden – Familienpflege, Beschäftigungstherapie, Aufteilung in medizinische Fachbereiche, Führung einer offenen Anstalt mit gesellschaftlichem und kulturellem Eigenleben.
Funktional – Architektonisches: Carlo von Boog wurde durch die Studien von Dr. Josef Krayatsch angeregt, seine therapeutischen Grundsätze auch architektonisch auszuformen. Sowohl die funktionale Organisation als auch die Gestaltung der Anlage und ihrer Gebäude waren innovativ und durchdacht.
Konstruktiv – Ökonomisches: Der Einsatz von Eisenbeton für Keller und Decken, Sichtziegelmauern aus gebrannten Ziegeln sowie Glasbausteinen zeugt von der Innovationskraft des Architekten sowie dessen gestalterischem und organisatorischem Geschick beim Einsatz der Materialien und brachte enorme ökonomische und zeitliche Ersparnisse.
Künstlerisches: Die Anlage des Klinikums ist das bedeutendste Werk des Jugendstils in Niederösterreich und ist Zeugnis des Anspruchs dieser Epoche auf Durchdringung aller Lebensbereiche durch die Kunst. Dementsprechend waren alle Ebenen der Gebäude bis hin zu Türen, Fenstern, ergonomischen Möbeln, Beleuchtungskörpern etc. durchgestaltet und Teil eines künstlerischen Leitgedankens.
Das Gesamtkonzept
Die streng achsial-symmetrische Anordnung der einzelnen Pavillons folgt zwar noch einer klassizistischen bzw. barocken städtebaulichen Idee, doch die weitläufige Anordnung der offenen Bauweise mit 19 Pavillons inmitten eines riesigen Parks stellte damals einen Quantensprung in der Versorgung psychisch Kranker dar. Kaiser Franz Joseph wird mit folgenden Worten bei der Eröffnung zitiert: „Es muss schön sein, in Mauer ein Narr zu sein.“
Diese strenge Anordnung der Pavillons war der Ausgangspunkt der Überlegungen zur Erweiterung und Modernisierung des Klinikums. Im vorliegenden Vorentwurf/Masterplan wird den Bestandsgebäuden ein orthogonales Ordnungssystem beigeordnet, das um den nunmehr im Kern der Anlage liegenden Bestand ringförmige Erweiterungszonen vorsieht. Durch eine neu zu errichtende Ringstraße werden die Neubauten erschlossen und mit allen notwendigen Infrastruktureinrichtungen versorgt.
Nachdem die Ausformung und Gestaltung der Bestandsgebäude einen wesentlichen Beitrag zur Ära des Jugendstils darstellen, ist die Erscheinung der neuen Gebäude derart gestaltet, dass deren Architektur nicht konkurriert, sondern nach Harmonie mit dieser strebt. Das Gestaltungskonzept der Neubauten geht von einer Analyse der Bestandsbauten aus. Die im Jugendstil errichteten Gebäude bestehen demnach aus massivem, roten Sichtziegelmauerwerk und diversen, im Stukaturputz hergestellten weißen Verzierungen. Die Hauptelemente dieser historischen Fassadengestaltung wie Erdgeschosszone, Parapetzone, Dachüberstand und Dekor (Ornamente) werden in neuer Interpretation übernommen.
Das Freiraumkonzept
Der vorhandene Park mit seinen bestehenden, strengen, symmetrischen Wegeverbindungen und Kastanienalleen wird erweitert und neu interpretiert. Die gestaltete Landschaft zwischen den bestehenden und neuen Häusern bleibt somit ein wesentlicher Grundpfeiler der medizinischen und therapeutischen Versorgung. Der nördliche Bereich des Klinikums wird zur Bahn hin mit den Wiederaufforstungsflächen abgeschirmt. Der südliche Bereich wird begrenzt durch den bestehenden Wald, der nur in jenen Bereichen gerodet wird, die für die Errichtung der neuen Häuser erforderlich sind. Jedem Haus werden eigene Gartenbereiche, meist eingezäunt, zugeordnet und dementsprechend auch zur Nutzung für therapeutische Zwecke gestaltet. Die Gestaltung und eventuelle Veränderungen im bestehenden Park werden von einem Landschaftsplaner im GP-Team in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt entwickelt werden.
Erholungswald: Im Süden und Osten des Klinikums befindet sich ein Erholungswald, der auch von Anstaltsfremden und Besuchern des Klinikums als Naherholungsraum genutzt wird.
Hausgärten/Therapiegärten: Jedem Haus sind eigene, geschützte Freiräume für Patienten, Personal und Besucher zugewiesen und werden therapeutisch genutzt. Diese haben privaten Charakter.
Aufforstung/Lärmschutz: Die Wiederaufforstungsfläche bei der Bahntrasse ist zugleich auch Pufferzone und Lärmschutz.
Parkflächen innerhalb des Geländes: Dies sind gestaltete Erholungsflächen mit aufgelockertem Baumbestand. Eine Ausholzung soll zur besseren Durchlichtung und Übersicht innerhalb des Ensembles führen. Diese Flächen werden allgemein genutzt, haben öffentlichen Charakter und dienen als Begegnungsfläche.
Das Fassadenkonzept
Die Gestaltungselemente der historischen Fassaden, wie die Erdgeschosszone, die Parapetzone, der Dachüberstand und die Dekorationen (Ornamente), dienen als Inspirationsquelle für die Gestaltung der neuen Fassaden. Durch eine zeitgemäße Interpretation dieser Elemente entsteht eine Verbindung zwischen der historischen Architektur und dem modernen Neubau.
Die Farbgebung der Bestandsgebäude, vor allem das kräftige Rot des Ziegelmauerwerks und das strahlende Weiß der Verzierungen, werden in die Gestaltung der neuen Gebäudefassaden integriert. Dabei wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass diese Farben in einem zeitgemäßen Kontext verwendet werden und sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen.
Die Umsetzung
Der gesamte Masterplan soll in 3 Bauphasen umgesetzt werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Sanierung und Wiederherstellung des Originalzustandes der Bestandsgebäude gelegt. Um die Neubauten infrastrukturell zu versorgen, ist es sinnvoll und notwendig, in der ersten Phase bereits die Investitionen für die Infrastruktur (Kanal, Elektro- und Haustechnik) zu tätigen. Zum einen stellt dies einen Vorgriff auf die späteren Bauphasen dar, zum anderen wird damit der dringend notwendigen Entlastung der bestehenden Infrastruktur entsprochen. In der darauf folgenden Bauphase 2 können die Neubauten aus Phase 1 in Betrieb genommen werden, wodurch Leerbereiche im Bestand entstehen. Die letzte Phase beinhaltet die Übersiedlung in die fertiggestellten Häuser sowie die Sanierung zweier weiterer Bestandsgebäude.
Bauphasen-Plan Stand 2012
Haus 52 – Station für Drogentherapie – Neubau 2010
Haus 44 – Psychosoziales Betreuungszentrum – 2013
Haus 42 – Psychosoziales Betreuungszentrum – 2015
Haus 46 – Pflege- und Betreuungszentrum – 2022
Haus 48 – Pflege- und Betreuungszentrum – 2022
Haus 19 – Bestandssanierung – 2022
Bildungszentrum – Bestandssanierung – 2023